Invention

Auf dieser Seite lernst du die Invention näher kennen. Bearbeite während des Lesens dieses Arbeitsblatt!


Im Klavierunterricht der Barockzeit war es nicht nur üblich, wie heute Stücke nach Noten zu lernen, sondern es gab zusätzlich noch die Kategorie der Improvisation. Damit man aber Stücke im Stile der Barockzeit, wie beispielsweise der Invention (lat. invenire = erfinden) aus dem Stegreif spielen konnte, musste man zunächst deren formalen Aufbau kennen sowie einige übliche Kompositionstechniken erlernen.


Betrachten wir zunächst die C-Dur Invention von J. S. Bach in Form eines diastematischen Verlaufs (Tonhöhenverlauf), getrennt nach rechter und linker Hand:

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Die für die Invention typische Satztechnik lässt sich anhand dreier Elemente beschreiben: Thema, Umkehrung und Kontrapunkt.

Das Thema

Das Thema ist eine musikalische Grundidee eines Stückes und weißt folgende Eigenschaften auf:

  • es steht am Anfang,
  • es endet ungefähr dort, wo die zweite Stimme einsetzt,
  • es kommt mehrmals im Stück vor,
  • es ist häufig ein vollständiger, abgeschlossener Baustein.

Das Thema in dieser Invention hat also folgende Gestalt:

Konkret am Notentext bedeutet dies:

Möchte man die Gestalt des Themas in Worten beschreiben, bedeutet dies: eine Tonleiterbewegung mit vier Tönen nach oben, gefolgt von einer abwärtsgerichteten "Zick-Zack-Bewegung" sowie einem Abschlusston, der aber nicht zwingend notwendig nach oben gehn muss, sondern sich aus harmonischen Gründen auch nach unten führen lässt.

Markiere nun im Notentext sämtliche Stellen, an denen du ein Thema endeckst in blauer Farbe!


Versuche nun die Themeneinsätze auch zu hören. Das Video hilft dir dabei:

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Vielleicht hast du dich während des Markierens der Themeneinsätze im Notentext gefragt, ob es auch ein Thema sei, wenn die Töne in die umgekehrte Richtung geführt werden, also die Form horizontal gespiegelt ist. Diese berechtigte Frage führt uns direkt zum zweiten Formelement:

Die Umkehrung

Im nächsten Schritt bitte ich dich, sämtliche Umkehrungen im Notentext zu suchen und mit der Farbe rot zu kennzeichnen.


Auch hier kannst du dir zur besseren akustischen Nachvollziehbarkeit ein Video ansehen:

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Im letzen Video wurden nur das Thema und die Umkehrung graphisch dargestellt. Um nun wieder alle erklingenden Töne der Invention sichtbar zu machen, fehlt uns nur noch ein Baustein:

Der Kontrapunkt

Unter Kontrapunkt versteht man eine Gegenstimme des Themas. Was das genau bedeutet, werden wir uns noch ansehen, aber für den Moment genügt es zu wissen, dass wir damit ganz grob gesagt die Töne meinen, die nicht zum Thema oder der Umkehrung gehören.

Ihr seht jetzt noch einmal das ursprüngliche Video. Macht euch bewusst, dass die beiden Farben hier die beiden Stimmen (rechte und linke Hand am Klavier) verkörpern.

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Wir haben der Invention durch unsere drei Bausteine nun eine Struktur verliehen. Es sind wieder alle Töne dargestellt, nur dieses Mal in Thema, Umkehrung und Kontrapunkt gegliedert.

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Um die Gestalt des Kontrapunktes besser verstehen zu können, müssen wir zunächst zwei Kompositionstechniken etwas genauer betrachten:

  1. Wird ein Thema oder eine Umkehrung in einer anderen Stimme nachgeahmt, so spricht man von Imitation.

Durchsuche den Notentext auf deinem Arbeitsblatt und kennzeichne die Stellen, an denen du eine Imitation entdeckt hast, mit einem Stern *.


  1. Wird das Thema/die Umkehrung in derselben Stimme auf einer anderen Tonstufe wiederholt, so spricht man von einer Sequenz.

"Auf einer anderen Tonstufe" bedeutet, dass die Bausteine, die sich wiederholen, mit jeweils unterschiedlichen Tönen beginnen. In diesem Beispiel beginnt der erste Baustein mit dem Ton c'', der zweite mit dem Ton e'' und der dritte mit dem Ton g''.

Markiere auf deinem Arbeitsblatt sämtliche Sequenzen mit einem Plus +.


Vervollständige nun die Einträge auf deinem Arbeitsblatt zu Kontrapunkt, Imitation und Sequenz.


Nun widmen wir uns dem Kontrapunkt und werden hierfür Takt 3 und 4 aus unserer C-Dur Invention etwas genauer analysieren:

In der oberen Zeile wissen wir bereits, dass mehrere Umkehrungen eine Sequenz bilden:

Uns geht es jetzt um die noch nicht farbig markierten Töne in der linken Hand (untere Notenzeile). Wir wissen bereits, dass der Kontrapunkt eine Gegenstimme zu Thema oder Umkehrung bildet.

Im Grunde könnte man behaupten, dass der Platz einfach mit harmonisch passenden Tönen aufgefüllt wird. Diese Behauptung wird aber der Genialität J. S. Bachs in keiner Weise gerecht.

Sehen wir uns diese Stelle einmal genauer an:

Bach fügt hier nicht nur einfach dazu passende Töne ein, sondern diese Töne gehorchen auch einer gewissen Ordnung. Zunächst können wir erkennen, dass es sich ebenfalls um eine Sequenz handelt.

Der Baustein, der immer um eine Terz nach unten sequenziert wird, kommt uns doch auch schon irgendwoher bekannt vor, nur woher? Vier Töne in der Tonleiter nach oben - ja, genau, das Thema beginnt doch so.

Bach spaltet aus unserem Thema einfach einen Teil ab und verwendet diesen als eigenständigen Baustein, der wiederum imitiert oder sequenziert werden kann. Man spricht hierbei von einer Abspaltung.

Auffällig ist an dieser Stelle auch noch, dass diese vier Töne nur halb so schnell gespielt werden, da er anstatt der 16tel-Noten Achtel-Noten verwendet. Diese Technik nennt man Vergrößerung bzw. Augmentation.

Das gleiche könnte man natürlich auch in die andere Richtung machen, also die Notenwerte halbieren. Dann spricht man von Verkleinerung oder Diminution.

Zusammenfassend könnte man diese Stelle in etwa wie folgt beschreiben:

Im Kontrapunkt der Takte 3 und 4 werden aus dem Thema der Invention die ersten vier Töne abgespalten, augmentiert und als neuer, eigenständiger Baustein verwendet, der in Terzschritten abwärts sequenziert wird.


Das ist nicht ganz einfach, aber mit etwas Übung wirst du solche Strukturen sehr bald sehr schnell selbst erkennen.

Versuch doch mal die folgende Stelle aus der Invention zu analysieren:

Hilfestellung:

  • Gibt es Abschnitte, in denen sich eine Struktur wiederholt?
  • Hat man diese Struktur schon mal irgendwo in ähnlicher Weise gesehen?
  • Ist eine Kompositionstechnik erkennbar?
  • Wurden die Noten vielleicht auch im Vergleich zur Originalstelle vergrößert oder verkleinert?

Als letzte Aufgabe bitte ich dich, die Noten zu durchforsten und den Blick auf ähnliche Stellen im Kontrapunkt zu richten, diese zu markieren und zu analysieren.


Jetzt kannst du dich erst einmal zurücklehnen, das Stück genießen und möglicherweise hörst du es jetzt mit diesem Hintergrundwissen mit anderen Ohren.

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Quelle: YouTube